Mitten im Leben

Er liegt zwar schon ein paar Wochen zurück, mein erster Besuch auf dem Gewürzmarkt, aber ich habe ihn noch lebhaft in Erinnerung. Wie so vieles ist auch der Gewürzmarkt für den China-Neuling nicht so leicht zu erkennen. Bei dem Wort Markt fällt mir sofort ein Platz unter freiem Himmel ein, mit bunten Ständen und lebhaftem Durcheinander. Okay, es gibt die bunten Stände und das lebhafte Durcheinander, aber das alles findet in großen Häusern mit 5 oder 6 Stockwerken statt. Auf den verschiedenen Etagen finden sich dann die unterschiedlichsten Produkte wie Tee, getrocknete Früchte, Fleisch und Fische, Nüsse und Samen sowie jede Menge Gewürze. Wieder einmal ein großes Dankeschön an meine Freundin, die mir diese neue Welt mit viel Spaß und Begeisterung eröffnet hat!

Zunächst einmal stand der Teeeinkauf auf der Liste. Dazu gehört hier natürlich auch die Teezeremonie. Dazu hat uns die Dame drei Teesorten empfohlen, die dann nacheinander aufgebrüht und getrunken wurden. Und damit uns beim Hin- und Herschütten des Wassers nicht langweilig würde, hat sie auch noch eine Schale Sonnenblumenkerne vor uns gestellt. Das ist hier ein großer Zeitvertreib und bedarf jeder Menge Übung. Ich habe es noch nicht so richtig raus, einhändig den Kern im Mund zu halten und mit den Zähnen zu knacken, dann das Innere zu essen und die Schale auf den Boden zu spucken. Ich gestehe, da steht mir meine Erziehung noch etwas im Weg, aber ich bin zuversichtlich, gebt mir nur etwas Zeit!

Übrigens ist es ganz wichtig, auch kleinen Tontieren während der Zeremonie immer wieder etwas von dem Tee abzugeben, das soll Glück bringen. Und so wurde in unserem Fall das kleine Schwein in jeder Runde mit Tee überschüttet. Jetzt kann sich das Glück gar nicht mehr fernhalten. Es gibt wirklich ganz süße kleine Tierchen für diesen Zweck und wenn ich Leo dabei gehabt hätte, wäre ich sicher nicht ohne ein Dutzend solcher Tiere nach Hause gekommen. So konnte ich mich ganz auf den Tee konzentrieren und mich anschließend auf die Suche nach den Toiletten machen. Grüner Tee hat es in sich.

Nach dem Tee haben wir uns reichlich mit getrockneten Früchten wie Ananas, Mango, Nektarine, der Gouqi-Beere und verschiedenen Rosinen eingedeckt. Davon lebe ich jetzt noch, besser als jede Süßigkeit. Auch Sonnenblumenkerne, Sesam und Kürbiskerne habe ich für meine Brote eingekauft. Wenn es schon nur Weizenmehl gibt, so sollte doch wenigstens etwas Abwechslung drin sein. Meine kleinen Partybrötchen waren dementsprechend auf dem letzten Barbeque der Hit. Hatte ich schon erzählt, dass ich hier meine hausfraulichen Fähigkeiten wieder herausgekramt habe? Naja, zumindest backe ich fast täglich frisches Brot, den Rest des Haushaltes macht meine Ayi.

Im Stockwerken mit den Gewürzen muss man etwas flacher atmen. Die Mengen an Chilipulver und Szechuanpfeffer sind schon eine Herausforderung an die europäischen Atemwege. Aber die Fülle und diese rote Farbenpracht ist  immer wieder einen Besuch wert.

Wer nur für den Hausgebrauch einkauft, wird seine Tüten sicher noch selbst nach Hause tragen können. Sollte man aber mal etwas über die Stränge geschlagen haben, so ist das auch kein Problem. Direkt vor den Ausgängen der Märkte findet man jede Menge gut ausgestatteter Transportunternehmen. Ich habe mich noch nicht nach den Preisen erkundigt und ich bezweifle auch, dass sie bis vor die Tore der Stadt fahren, aber eines habe ich beobachtet: auf so ein Fahrrad passt unglaublich viel drauf. Erstaunlicherweise tun sich unsere Fahrer schwer, den Kofferraum unserer Autos sinnvoll zu packen, aber diese Transporteure haben es echt raus. Hier gilt: alles muss mit!

Wir hatten es natürlich wieder einmal expatmäßig gut und konnten unsere Tüten unserem Fahrer überreichen und uns dann ganz entspannt auf die Suche nach leckerem Straßenfood machen. Dieses Mal gab es frisch gemachte Nudelsuppe, scharf oder weniger scharf. Schon allein beim Teigausrollen zuzuschauen war spannend und geschmeckt hat es auch super! Nudelsuppe isst man übrigens auch mit Stäbchen. Dafür sind die Nudeln besonders lang, den Kopf muss man weit über die Schüssel beugen und dann alles was aus dem Mund heraushängt abbeißen. Keine sehr saubere Angelegenheit, da der Rest natürlich wieder in die Brühe fällt und spritzt. Ich habe es ein Mal nach chinesischer Art mit lautem Einsaugen probiert, dabei fliegen aber die Nudelenden herum und spritzen auch. Und da kommt auch das Thema Erziehung wieder ins Spiel. Das Einsaugen klingt sehr wie Schlürfen, das kam bei uns zuhause auch nicht so gut an. Aber mit jedem Teller Nudelsuppe bin ich besser geworden, ehrlich!

 

Seid ganz lieb gegrüßt,
Eure Bettina

 

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