Xīnnián hăo
Aus gegebenem Anlass möchte ich den versprochenen Bericht über den Straßenverkehr noch einmal verschieben. Ich hoffe, Ihr habt Verständnis dafür. Heute ist New Year‘s Eve, der Abend vor dem Beginn des neuen Jahres hier in China. Die Feierlichkeiten dauern mehrere Tage in unterschiedlicher Intensität an und enden in diesem Jahr 14. Februar. Um Mitternacht soll es mächtiges Feuerwerk geben, so wird berichtet. Ansonsten verbringen die Chinesen diesen Tage im Kreise der Familie, ganz ähnlich unserem Weihnachtsfest. Das neue Jahr steht im Zeichen des Pferdes in Verbindung mit dem Element Holz. Das Jahr des Holz-Pferdes ist geprägt von einem schwer zu bremsenden Tatentrang. Hier gilt es, die Ärmel hochzukrempeln und loszulegen. Ich finde, unser Start hier in China könnte unter keinem besseren Stern stehen.
Erstaunlicherweise ist es leicht, sich auch den Gebräuchen und dem Aberglaube anzuschließen, sobald man sich in einem entsprechenden Umfeld aufhält. So haben wir also durch Leo, der ja bereits in der Schule ist und etwas darüber gelernt hat, erfahren, dass es Unglück bringt, sich während der Festlichkeiten die Haare schneiden zu lassen oder neue Schuhe zu kaufen. Hier liegen die Ursachen in der Ähnlichkeit der Worte. Das Wort Schuh (Xiézi) hat im Chinesischen Ähnlichkeit mit dem Wort für schlecht, böse und ungesund (xié). Das Wort Haar (Fà) und das Wort Glück (Fa) sind dasselbe und so würde man sich sein Glück wegschneiden. Das wollen wir natürlich auf keinen Fall und so hat sich Lara, die meinte sie müsse auf jeden Fall jetzt endlich mal zum Friseur, sich in der letzten Woche noch schnell die Haare schneiden lassen. Wir hatten einen Friseur in einer kleinen Straße gesehen und noch während wir davor standen, ging die Tür auf und ein junger Mann lud uns mit einer haareschneidenden Handbewegung ein hereinzukommen. Und was soll ich sagen, es war super. Zum Haare waschen durfte sich Lara auf eine Art Liege legen und der Kopf ruhte im Waschbecken auf einer Art Kopfstütze. Dafür gab es schon mal die volle Punktzahl. Enspannt und eine ausgedehnte Kopfmassage später durfte sie dann zum Schneiden vor einem Spiegel Platz nehmen. Nun stand ein junger Mann auf, den ich für einen weiteren Kunden gehalten hatte und bereitete sich auf das Haare schneiden vor. Auch wieder mit Handzeichen klärte er mit Lara und mir ab, wieviel den geschnitten werden sollte und dann legte er los. Ich hatte schon vorher, vielleicht als Beruhigung gedacht, gesagt, dass ein chinesischer Friseur mit Laras glatten Haaren keine Probleme haben dürfte. Die Frauen hier haben die tollsten Frisuren und sie haben fast alle ganz glatte Haare, bei denen jeder Fehlschnitt sofort zu sehen wäre. Und tatsächlich, routiniert schnitt der junge Mann die Haare und fönte sie anschließend auch ohne zu fragen trocken.
Bei Minusgraden durchaus empfehlenswert. Ich hatte gerade vorher eine Frau mit nassen Haaren gehen sehen und mir fielen Leos Worte ein, man können mit nassen Haaren rausgehen, dann würden die Haare gefrieren und man müsse sie nur noch schütteln. Jetzt weiß ich nur nicht mehr, was eigentlich das Ergebnis dieses Schütteln sein würde: Glatze, weil alle Haare an der Wurzel rausgerissen würden, oder eher die Punkfrisur, weil alle Haare abstehen würden? Ich denke, wir sind uns einig, alles nicht erstrebenswert. Auch kontraproduktiv zu den Tipps, die wir zuvor bekommen hatten, nämlich bei sehr tiefen Temperaturen nicht kurz vor dem Verlassen des Hauses zu duschen! Aber was sind schon tiefe Temperaturen, – 10°C oder erst -20°C, das ist hier alles eine Frage der Relation! Aber meine Spaziergänge entlang des Hunhe (Hun River) sprechen für sich. Dieser Fluss ist komplett zugefroren, ein unglaublich toller Anblick, insbesondere natürlich bei Sonnenschein, der schon eine gewisse Neugier auf den Frühling weckt!
Aber zurück zum Friseur! Dieses Erlebnis ist wieder ein Beweis dafür, dass man sich nicht ständig von seinen Vorurteilen leiten lassen sollte. Natürlich gibt es auch anders aussehende Läden und wir haben uns bewusst einen Laden herausgesucht, der vertrauenserweckend aussah, aber man muss es ja auch nicht gleich übertreiben mit seiner Abenteuerlust! Es reicht uns derzeit noch völlig, dass wir uns nicht verständlich machen können und wir auch nichts verstehen können. Ich bin mir sicher, wir zahlen auch immer den Langnasenpreis, da das Thema Preisliste hier etwas anders gehandhabt wird. Aber solange wir nicht ruiniert werden, ist es in Ordnung, wenn wir etwas von unserer Schmerzensgeldzulage abgeben. Bei 48 Yuan (wir teilen hier durch 8 um € zu erhalten) liegen wir immer noch auf der günstigen Seite!! Die echte Herausforderung wird es sein, meine Haare färben zu lassen. Das steht dann im März an (Ihr wisst schon, Haar und Glück und abschneiden… Da ich auch noch vom Zeichen Pferd bin, und wir in das Jahr des Pferdes hineinfeiern, muss ich besonders vorsichtig sein, sagt Leo) und ich werde Euch dann wissen lassen, ob und wie ich mit der neuen Farbe aussehe, bzw. Ihr werdet nicht zu sehen bekommen, wie ich aussehe und dann könnt Ihr Euch schon denken wie ich aussehe!
Und da kommen wir auch schon zum zweiten wichtigen Aspekt des Erhaltens des Glücks für das kommende Jahr. Rot! Rot ist eine wichtige Farbe in China, sie symbolisiert Freude, Glück und Wohlstand und darf auf keinem chinesischen Fest fehlen. So werden Geldgeschenke in roten Umschlägen überreicht, rote Laternen verkünden frohe Botschaften und allgemein wird auf Festen wie dem Neujahrsfest, auf Hochzeiten oder Geburtstagsfeiern überwiegend rote Kleidung getragen. Je intensiver desto besser. Was für uns schon zum Kitschigen tendiert, hat hier eine ganz besondere Bedeutung und wirkt, auch wenn es an jeder Ecke „moderne Großstadt“ schreit, überhaupt nicht fehl am Platz. Und um dem Glück noch ein wenig auf die Sprünge zu helfen, trägt man im ersten Monat des neuen Jahres rote Unterwäsche oder rote Socken. Hier allerdings sind wir uns nicht sicher, ob es sich um den ganzen Monat handelt oder nur um die Zeit des Frühlingsfestes (das wäre dann bis zum 14. Februar, wenn mit dem Laternenfest die Neujahrsfeierlichkeiten abgeschlossen werden). Tragen alle rote Socken oder nur diejenigen, die in ihr eigenes Tierzeichenjahr feiern? Um sicher zu gehen habe ich mich in das Getümmel gestürzt und einige rote Kleidungsstücke gesucht, gefunden und gekauft. Rot ist ja noch leicht zu finden, aber die Größenangaben sind nicht so leicht ausfindig zu machen. Also habe ich ganz mutig die Unterhosen ausgepackt und mal so per Augenmaß abgeschätzt. Ich bin mir sicher, dass ich bei dieser Gelegenheit mal wieder zu allerlei Belustigung beigetragen habe, aber das merke ich schon gar nicht mehr. Vielleicht wussten die Kinder mehr als ich und hatten daher gesagt, die gingen mit Leo schon mal zum Hotel zurück? Naja, mit drei Kindern und einem Hund gibt es nur noch wenig, was mir peinlich wäre!
Noch ein weiteres Stück, das es hier an jeder Ecke zu kaufen gibt und gern überreicht wird um Glück und Freude zu schenken. Stefan hat diese Bilder von seiner Assistentin gekommen. Sie enthalten die Zeichen für Glück, Freunde, Wohlstand und so weiter und passenderweise auch das Pferd. So sind wir jetzt bestens für das Jahr des Holz-Pferdes ausgestattet und freuen uns auf ein ereignisreiches, spannendes und glückliches Jahr.
Auch Euch wünschen wir noch einmal ein frohes, glückliches und gesundes neues Jahr. Auf das Ihr auch in diesem Jahr stets ein Lächeln im Gesicht und im Herzen tragt.
Eure Bettina